Vom Ende und vom Anfang


Erschienen im tschutti heftli „Abpfiff – das Letzte“ Nr 1/2015

Die Karriere nach der Karriere – sie ist für den 34-jährigen Michel Renggli seit Mai 2014 Realität. Als Juniorentrainer ist der weit über die Vereinsfarben hinaus geschätzte Superleague-Rekordspieler dem FCL erhalten geblieben. Fast zeitgleich ging für den 14 Jahre jüngeren Torwart Jonas Omlin mit dem Unterschreiben seines ersten Profivertrages ein Traum in Erfüllung. Seither ist er die Nummer drei beim FC Luzern und gilt bereits als designierter Nachfolger von David Zibung. Was für Gedanken macht sich ein Fussballspieler am Beginn seiner Laufbahn zu seinem Karriereende, das irgendwann unweigerlich eintreten wird? Wie plant man die Karriere nach der Karriere? Wir haben den Jungspund und den alten Hasen im Dezember 2014 zu einem Karrieregespräch gebeten.

Michel, was war das für ein Moment, als du am 18. Mai 2014 deine Profikarriere beendet hast?

Michel: Das war sehr speziell, obwohl ich mich darauf vorbereiten konnte. Die ganze Situation vorher war nicht so einfach. Aber in dem Moment, als es dann soweit war, war es gut – ich freute mich auf das Danach.

Wie früh hast du dich mit möglichen Zukunftsplänen nach der Aktivkarriere auseinandergesetzt?

M: Spätestens, wenn man 30 Jahre alt ist beginnt man, sich Ideen und Voraussetzungen für ein mögliches Danach zu schaffen. Ich habe schon früher mit den Trainerdiplomen begonnen und wusste, dass das eine mögliche Richtung sein könnte. Schlussendlich ist das Fussballgeschäft aber extrem schnelllebig und damit schwer zu planen. Darum kannst du dir zwar einen Weg aufgleisen, weisst aber gleichzeitig, dass du ihn vielleicht nicht halten kannst –wenn du zum Beispiel am Ende der Karriere etwas ganz anderes machen möchtest.

Jonas, wie ist das für dich, wenn du das so hörst?

Jonas: Für mich ist das Aufhören noch kein Thema – dementsprechend habe ich mir auch noch nicht viele Gedanken darüber gemacht. Aber ich spüre, vor allem bei meinen Eltern, schon eine gewisse Sorge, die bei meinem Beruf immer mitschwingt. Wenn man sich überlegt, mit 35 Jahren wäre ein gutes Alter zum Aufhören – was macht man danach?

Aber dann gibt es ja auch noch das Aufgehörtwerden, das schon bedeutend früher eintreffen könnte?

J: Ja. Aber ich glaube, man muss einfach genug Vertrauen in das Leben haben. Ich bin fest überzeugt, dass ich auch etwas anderes finden würde. Deswegen mache ich jetzt das, was mir Spass macht.

Wie zu erwarten war, können sich die beiden Vollblutfussballer kaum vom Leder trennen. Darum widmen wir uns nun der Gretchenfrage für jeden jungen Profifussballer und hoffen, zumindest für ein paar Fragen etwas vom Fussball wegzukommen.

Jonas, wie hältst du es mit der Ausbildung?

J: Die hatte immer einen sehr grossen Stellenwert. Ich wurde auch erst nach der Lehre zum Profifussballer. Die war für meine Eltern,die mich immer dabei unterstützten, genauso wichtig wie für mich.

Diese Lehre war aber keine «normale» Lehre, sondern eine spezielle KV-Ausbildung für talentierte Sportler.

J: Ja, das war für eine sehr gute Lösung. Ich hatte immer den gleichen, abwechslungsreichen Alltag.

Michel, du hast die Matura gemacht.

M: Ja, ich hätte mir gewünscht, es hätte etwas vergleichbares gegeben wie bei Jonas. Ich musste durch eine harte Schulzeit, denn für Sportschulen war ich einfach etwas zu früh dran. Es gab eigentlich nur die Wintersportschule in Engelberg, aber die kam halt nicht in Frage.

Das hätte dann den oft zitierten Skischuhfussballer gegeben …

M: Ja, genau. Gewisse haben die Skischuhe ja heute noch an (lacht).

Michel Renggli nach seinem letzten Spiel als Fussballprofi. Bild: Facebookseite Michel Renggli
Michel Renggli nach seinem letzten Spiel als Fussballprofi. Bild: Facebookseite Michel Renggli Michel Renggli nach seinem letzten Spiel als Fussballprofi. Bild: Facebookseite Michel Renggli

Hättest du dir manchmal gewünscht, eine Ausbildung zu haben?

M: Ja. Der Wiedereinstieg wäre damit wohl einfacher.

Du könntest mit einem Studium beginnen …?

M: Richtig. Mit 34 Jahren und drei Kindern kannst du es dir aber nicht erlauben, eine jahrelange Auszeit zu nehmen – zumindest, wenn du nur in der Schweiz Fussball gespielt hast. Dann lebst du von den Tageseinnahmen. So ist es auch jetzt. Ich kann zwar schon einen Teil auf die Seite legen, aber ein Vollzeitstudium ist damit nicht möglich.

Sind deine Möglichkeiten dadurch gezwungenermassen auf den Fussball eingegrenzt?

M: Nicht zwingend. Ich bin überzeugt, dass ich auch etwas anderes gefunden hätte. Aber ich bin so fussballangefressen, da war für mich klar, dass es etwas mit dem grünen Rasen sein soll. Darum habe ich die Möglichkeit auch gleich am Schopf gepackt, als ich das Angebot als U-14 Trainer bekam.

Hast du Tipps an Jonas, der noch am Beginn seiner Karriere steht?

M: Es ist nicht leicht. Fussball ist einfach schwammig, man kann sich nicht an viel halten, hat wenig Struktur. Es gibt nichts anderes, als hart zu arbeiten. Im Fall von Jonas ist das auch sehr aussichtsreich, da der FCL neben ihm zwei ältere Goalies in den Reihen hat – zumindest fussballerisch: Mit 32 Jahren bist du ja schon ein Urgestein (lacht). Für Jonas ist es wichtig, dass er die nächsten zwei Jahre voll durchzieht. Dann haben wir hier die zukünftige Nummer eins am Tisch.

Wie gehst du mit diesem Druck um, Jonas?

J: Ich mache mir darüber eigentlich keine Gedanken. Es ist natürlich schön, wenn man das hört. Und natürlich ist es mein Ziel, mal hier in diesem Stadion aufzulaufen. Dafür arbeite ich täglich, versuche immer mein Bestes zu geben und weiss gleichzeitig auch, dass ich als junger Torwart noch etwas Zeit geniesse.

Michel, du bist bekannt als anständiger, loyaler Fussballer und widersprichst damit dem typischen Bild des Fussballers. Wie setzt man sich in diesem Business durch?

M: Ich bin meinen eigenen Weg gegangen und habe immer das gemacht, was ich für richtig empfand. Schlussendlich kommt man an der Leistung auf dem Platz nie vorbei – darum mussten mich auch viele so nehmen, wie ich bin (lacht). Die tägliche Arbeit auf dem Platz zeichnet das aus, was man als Fussballer ist – und da steckt ziemlich viel Arbeit dahinter, die schon als Junior beginnt. Damals war ich übrigens sicher nicht der Angenehmste auf dem Platz.

Das heisst?

M: Ich hatte mich noch etwas weniger unter Kontrolle und habe gerne einmal meine Mitspieler verbal attackiert. Ich glaube, ich war schon sehr fordernd. Das entdecke ich jetzt wieder bei meinen Junioren.

Wie meinst du das?

M: Ich bin einfach extrem hart drauf, was Details anbelangt, die mir wichtig sind. Das brauchte es vielleicht gegen Ende meiner eigenen Karriere nicht mehr so stark – da war ich ziemlich ruhig und gelassen – das kommt jetzt aber wieder stärker hervor.

Jonas, wie bist du zu deinen Mitspielern?

J: Du musst dir natürlich schon den Stellenwert im Team erkämpfen. Ich versuche, das Vertrauen der Mannschaft auf meine Seite zu ziehen. Das wichtigste dafür sind konstante Leistungen, im Training wie in den Spielen.

Also bist du weniger «böse» als Michel zu seinen Juniorenzeiten?

J: Ich verliere nicht gerne. Dann kann ich schon auch mal rasend werden und etwas sagen.

Fussball, nichts als Fussball. Gibt es da wirklich nichts anderes? Das Spiel, das mehr über mich läuft als mir lieb ist, gleitet mir immer wieder aus den Händen. Eigentlich habe ich mir vorgestellt, dass sich Michel und Jonas auch direkt anspielen, der Ball läuft aber immer gepflegt über mich – und jeder aus dem Stadion spedierte Ball kommt postwendend zurück. Aber vielleicht hilft ein zweiter, zugegebenermassen etwas hilfloser Versuch, die schönste Nebensache der Welt tatsächlich zur Nebensache zu machen:

Jonas, was würde eine Welt ohne Fussball für dich bedeuten?

J: Eine Welt ohne Fussball? (denkt lange nach) Das wäre schade! Trotzdem, es gibt immer andere Wege, auch wenn ich gerade nicht wüsste, welchen ich eingeschlagen hätte. Ich habe meine Lehre im KV-Bereich gemacht, aber der Beruf an sich hat mir nicht mega gefallen.

Gibt es etwas in deinem Alltag, das unabhängig vom Fussball ist?

J: Ich habe schon länger damit begonnen, mein Umfeld gut zu pflegen. Ich merke, dass das sehr wichtig ist. Vor allem, dass du einen Ort hast, wo du richtig abschalten kannst – mit Leuten, denen du zu 100 Prozent vertraust. Darum mache ich viel mit meinen Kollegen, wenn sie denn Zeit haben, und mit meiner Freundin. Sonst ist der Fussball schon ziemlich stark im Vordergrund.

Jonas Omlin bei seinem Super League Debüt am 21. März 2015. Auf die Saison 2015/2016 wurde Omlin an den Challenge League Club FC Le Mont Lausanne ausgeliehen. Bild (via Facebookseite FCL): Madeleine Duquenne / meienberger-photo.ch)

Kannst du dir vorstellen, dass sich das verschieben könnte?

J: Ich habe mir vorgenommen, im ersten Jahr voll auf die Karte Fussball zu setzen. Danach schaue ich weiter. Ich könnte mir auch vorstellen, danach mit der Berufsmatura anzufangen.

Das heisst, du hast schon mittelfristige Pläne neben deiner Fussballkarriere?

J: Ja, ich glaube, man braucht einfach noch eine andere Beschäftigung. Es ist schon schön, nur Fussball zu spielen: am Morgen aufzustehen und ins Training zu gehen, danach zu Hause etwas zu essen und ein Mittagschläfchen zu halten und danach wieder ins Training zu gehen. Das ist wirklich schön! Aber ich brauche auch noch eine andere Beschäftigung, das merke ich bereits jetzt und da werde ich auch Lösungen finden.

Dann bist du gewissermassen am Vorspuren, dass du nicht so endest, wie Michel?

J: Nein, nicht unbedingt (allgemeines Gelächter). Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich nach meiner Karriere Trainer werden will. Goalietrainer vielleicht schon eher – da habe ich auch schon ein zwei Diplome gemacht. Aber wie gesagt, es geht noch eine Weile, bis das Thema aktuell sein wird.

Wie ist das bei dir Michel? Wie viel mehr hat deine Familie von dir, seit du als Profi aufgehört hast?

M: Wie viel weniger ist eher die Frage. Der Aufwand ist um einiges grösser als noch als Profi. Ich bin U-14-Trainer, Stützpunkttrainer und IFV-Botschafter.

Und daneben bist du neu Teleclub-Experte und Drittligakicker bei Hergiswil?!

M: Ja, aber als Drittligaspieler habe ich inzwischen mehr oder weniger aufgehört. Das war das erste, das ich zurückstellen musste, weil ich im Moment schlicht keine Zeit dafür habe.

Hast du dir das so vorgestellt?

M: Irgendwie schon, zumindest, dass man viel mit den Junioren arbeitet. Aber bürotechnisch stellt sich das wohl keiner in diesem Ausmass vor. Der Aufwand, um die Jungs auf dem laufenden zu halten, ist schon relativ gross. Es gibt auf jeden Fall immer genug zu tun, auch in Workshops, als Botschafter oder in der Trainerausbildung.

Kannst du dir vorstellen, länger so weiterzumachen? Oder gibt es Pläne für die Karriere nach der Karriere nach der Karriere?

M: Ich glaube, ich befinde mich jetzt in einer Zeit, in der ich mich weiterentwickeln will, auch in der Persönlichkeit. In erster Linie als Trainer – das ist jetzt mal die Aufgabe, die ich für die nächsten zwei Jahre gefasst habe, bis ich all die nötigen Diplome habe. Danach schaue ich, ob mir das Trainerdasein wirklich gefällt. Aber eben, fussballnahe Jobs gäbe es noch zig andere – mal schauen, ob ich auf dieser Schiene bleibe oder nicht.

Eine fussballfreie Welt ist für dich nicht vorstellbar?

M: Im Moment nicht, ich vermisse es auch, selber zu spielen. Ich konnte mir das eigentlich jahrelang nicht vorstellen, aber Fussball ist mein Leben, seitdem ich an einen Ball kicken kann. Was mich zufrieden macht am Ende des Tages ist in erster Linie meine Familie und in zweiter Linie das, was meine Leidenschaft ist – der Fussball: das möchte ich im Moment auch gar nicht wegdiskutieren.

Beitragsbild (via Facebookseite FCL): Martin Meienberger / meienberger-photo.ch

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