«Wir müssen nicht mehr in die Ferien»


Erschienen in der Luzerner Rundschau, 13. Juli 2012

Der Rotsee, vor allem bekannt als Rudermekka, ist ein ideales Naherholungsgebiet im Rontal. Neben den international bekannten Regattas ist die Rotsee-Badi ein charmanter Treffpunkt für Jung und Alt.

Es ist Donnerstagmorgen und trotz stahlblauem Himmel noch angenehm ruhig. Nur wenige Leute tummeln sich in der Badi. Man hört Vögel zwitschern und die Glocken der Kühe auf der anderen Seeseite bimmeln. Zwei Schwimmer geniessen den 24 Grad warmen Rotsee. Die meisten Gäste sitzen im Restaurantbereich, wo in drei geselligen Runden Kafi getrunken wird.

«Seit 58 Jahren bade ich schon im Rotsee», erzählt eine ältere Frau, die zusammen mit ihrem Mann am Tisch sitzt. Damals, 1954, gab es die Badi noch nicht. Vor 50 Jahren begann der Betrieb mit einem Hüttli am See. Zehn Jahre später entstand dann das schlichte Gebäude, das bis heute mehr oder weniger unverändert über dem See thront. «Am schönsten ist es jeweils am Morgen, da ist es schön ruhig», erklärt die Frau, die im letzten Jahr rekordverdächtige 113 Mal in der Badi war und auch in diesem Jahr schon auf stattliche 36 Eintritte kommt. In die Ferien zu fahren, das wird deutlich, brauchen die beiden Pensionäre nicht mehr.

Der Sommer kommt immer

Gabriela Bollina (42) führt die kleine Idylle zusammen mit ihrem Mann Patrick Widmer (40) nun seit acht Jahren. Sie schätzt die treuen Stammgäste: «Wir sind ein Treffpunkt für ältere Leute, zum Teil seit 40 bis 50 Jahren, das ist super!» «Dank der treuen Kundschaft ist die Saison bisher denn auch relativ gut verlaufen», erklärt sie und führt aus: «Wir sind eine kleine Badi, da kommen die Leute auch bei nicht so super Wetter. Entweder zum Käffelen oder zum Schwimmen. Unser Vorteil ist, dass das Wasser im Rotsee früh warm wird und das auch bis in den Herbst hinein bleibt.» Gabriela Bollina verbindet mit der Leitung der Badi vor allem eines, nämlich Lebensqualität. Das Ehepaar, das drei Kinder hat, führt die Rotsee-Badi nebenberuflich. Es lebt das familiäre Flair, das die Badi ausstrahlt. Die Badi verändert sich denn auch nicht in Grossrenovationen, sondern Schritt für Schritt. Auf dieses Jahr hin bekam das gesamte Badigebäude einen neuen Farbanstrich. Die Garderoben-Kästli, die im letzten Jahr noch durch ihre «Chnorzi-Schlösser» auffielen, wurden durch neue 2 Fränkler-Depotschlösser ersetzt und der Übergang zum Kinderspielplatz verbessert. In den nächsten Jahren haben eine Erneuerung des Nichtschwimmerbeckens und des Sprungturmes Priorität. Der Sprungturm soll, wenn möglich, in einer Kooperation mit der Naturarena Rotsee entstehen, die in diesem Bereich neue Starthäuser für die Ruderer plant.

Im Einklang mit dem Naherholungsgebiet

Im Laufe der Zeit entstehen neue Anforderungen, denen auch eine Badeanstalt gerecht werden muss. «Die Leute», so Gabriela Bollina, «kommen vermehrt zum Verweilen, weswegen wir zum Beispiel die Karte im Restaurant vergrössert haben und auch auf Event-Basis etwas am laufen haben», aber, und das ist ihr wichtig, «immer im Einklang mit dem Naherholungsgebiet». Vor fünf Jahren begannen sie mit einer Ü-30Party im Jahr. Heuer sind es zwei Kinoabende und zwei Konzerte, die das Angebot der Rotsee-Badi abrunden sollen.

Von Lohnzahlung überrascht

Es ist nun bereits Mittag und die Badi bekommt neue Gäste, insbesondere Schüler, die am See grillieren und den Altersschnitt drastisch senken. Der Bademeister sitzt leicht erhöht auf einem Holzpodest unter einem Sonnenschirm und beobachtet das Geschehen entspannt. Insgesamt hat die Rotsee-Badi vier Bademeister, wobei auch das Ehepaar Bollina / Widmer auf dem Hochsitz Platz einnimmt.

Heute ist es Franz Dommen (64), der das SLRG Brevet seit 44 Jahren besitzt, und die zweite Saison als Bademeister absolviert: «Ich habe mich mit 62 Jahren pensionieren lassen, jetzt bin ich Bademeister auf Abruf und ca. zwei Mal in der Woche im Einsatz. Für mich ist das ein schönes Hobby.» Eine schöne Anekdote ist die der ersten Lohnüberweisung: «Ich war richtiggehend überrascht, als ich neben der gratis Verpflegung im Badi-Restaurant auch noch einen Lohn überwiesen bekam!», sagt er. Weiter erklärt der braun gebrannte Hobbytaucher, dass er zum Glück noch bei keinem Ernstfall zugegen war und sich das hoffentlich auch nicht ändere. Der Bademeister, das wird an diesem Tag klar, hat hier einen abwechslungsreichen Job. Die Schafe, die von der benachbarten Wiese blökend auf das Areal drängen und den Rasenmäher überflüssig werden lassen, schickt er wieder auf die richtige Seite des Zauns und mit den zahlreichen Stammgästen hält er immer wieder einen Schwatz, ohne dabei die badenden Gäste aus den Augen zu verlieren.

Sommerferien

Der Himmel ist nun mit Wolken überzogen, das Gewitter könnte schon eher als angekündigt kommen. Die meisten Gäste verweilen aber noch. Zum Beispiel das Ehepaar Ranner, auf ihrem Stammplatz, welcher im Laufe der 35 Jahre «zum Rentner-Plätzli geworden ist», wie Sonja Ranner schmunzelnd sagt. Sie ist bei fast jedem Wetter zum Schwimmen in der Badi, «ausser es blitzt und donnert». Ihr Mann Heinz Ranner hingegen ist eher der Schönwetter-Badi-Typ, der den See dann nur «zur Abkühlung» benutzt, dafür gern «einen Jass in der Badi-Beiz chlöpft». Beide geniessen es, im Liegestuhl den Vögeln und Kuhglocken zu lauschen und die Ruderer auf dem See zu beobachten. In den Sommerferien, so viel ist sicher, wird die idyllische Ruhe am einen oder anderen Tag dem regen Badebetrieb weichen müssen – und das ist auch gut so.

Beitragsbild: Nick Schwery


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